Bordbegleiter aller Daten
Autor: Dominik Dotzer, Produktmanager bei ept GmbH
Moderne Bordnetze im Automobil wandeln sich, insbesondere aufgrund der Anforderungen durch E-Mobilität, autonomes Fahren und 4K-HD-Infotainment. Board-to-Board-Steckverbinder übernehmen mit speziellen Eigenschaften eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung dieses Wandels, damit hohe Datenübertragungsraten bei kurzen Latenzzeiten gewährleistet sind.
Bekanntlich ist das Bordnetz eines Fahrzeugs ein komplexes Netzwerk aus elektrischen Verbindungen, das alle elektrischen und elektronischen Komponenten miteinander verknüpft. Dazu gehören Steuergeräte, Sensoren, Aktuatoren, Beleuchtungssysteme, Infotainment und auch Steckverbinder.
Die heutigen drei großen Trends in der Automobilindustrie – das automatisierte, das elektrische und das vernetzte Fahren – benötigen eine grundlegende Änderung der momentanen elektrisch-elektronischen (E/E-)Architektur. Denn die Bordnetzarchitekturen sind im Wandel von einer klassischen, dezentralen Struktur bestehend aus bis zu 100 Steuergeräten hin zu einer Domänen-Architektur, in der Steuergeräte in Funktionsbereiche zusammengefasst sind. Jede Domäne hat einen koordinierenden High Performance Computer (HPC), so dass der Verdrahtungs- und Installationsaufwand sowie Kosten und Gewicht reduziert sind. Neu ist die Zonenarchitektur im Fahrzeug, in der Funktionen in einem lokalen Zonen-Controller gebündelt sind, weshalb die Anzahl der Steuergeräte und sich der Aufwand in der Verkabelung reduziert.
Steckverbinder in der Systemarchitektur von Bordnetzen
Solche Strukturwandel verändert auch die Herausforderungen an einen Board-to-Board-Steckverbinder, der diese Architekturen mitträgt und umsetzt. Die Aufgabe, nun deutlich größere Datenströme zu übertragen und diese im noch leistungsfähigeren Steuergerät zu einem Gesamtbild zu verarbeiten, verändert die Leistungsfaktoren des Steckverbinders deutlich.
Mit in der Verantwortung einer Datenübertragung stehen auch die verschiedenen Übertragungs-technologien, die die Bandbreite gewährleisten müssen. Dazu zählen:
• LIN (Local Interconnect Network) als sehr günstige Technologie für nicht-sicherheitsrelevante und nicht-zeitkritische Anwendungen wie Türschlösser, Lichter oder Klimaanlage
• CAN (Controller Area Network) als meistgenutzte Übertragungstechnologie zur Steuerung des Motors, des Getriebes, des Anlassers oder für Batteriemanagementsysteme
• FlexRay mit einer verdrillten Doppelleitung zur Datenübertragung für zeit- und/oder sicherheitskritische Anwendungen wie Lenkung oder Bremsen
• MOST (Media Oriented System Transport) als Glasfaserkabel für Multimedia- und Infotainmentsysteme
• Automotive Single Pair Ethernet (SPE) als relativ neue Technologie, die aufgrund der Bandbreiten-Kapazität zunehmend in der Akzeptanz steigt
• SerDes (Serializer/Deserializer) für hohe Datenübertragungen ideal für Kameras oder Displays
Es liegt im Interesse der Automobilindustrie, möglichst wenig verschiedene Übertragungstechnologien zu verwenden, um die Komplexität in der Verdrahtung niedrig zu halten. In diesem Sinne spielt Automotive Ethernet eine größere Rolle, wobei auch auf CAN (CAN FD und CAN XL) sowie LIN und SerDes gesetzt wird. Zentrale Anforderungen an Board-to-Board Steckverbinder lassen sich daraus ableiten, wobei auch die Norm LV214 Aufschlüsse zu den Eigenschaften offenbart.
Highspeed, EMV-Schutz sowie Robustheit und Miniaturisierung
Aufgrund der Sensoren-Entwicklung und der vorgestellten E/E-Architektur tendieren die zu übertragenden Datenmengen immer mehr zu Highspeed, die hauptsächlich von der Steuerung der Impedanz des Steckverbinders abhängt. Schwankt diese, so kommt es zu Resonanzen, die wiederum in Verlusten in der Signalübertragung resultieren. Dabei stellt ein Steckverbinder aufgrund seiner Geometrie immer ein potentielles Risiko für Impedanzschwankungen dar, die unter anderem durch Material- oder Geometrieveränderungen hervorgerufen werden.
Denn die Impedanz wird von induktiven und kapazitiven Eigenschaften bestimmt, welche abhängig von Größe, Anordnung und Design des Pins sind. Dabei wirken sich vor allem Querschnittsveränderungen negativ aus, weshalb diese so weit wie möglich minimiert werden müssen. Des Weiteren können auch Dielektrika (elektrisch schwach- oder nichtleitende Substanzen) in der Nähe des Signalpfads negative Auswirkungen haben, weshalb die Auswahl des richtigen Isolierkörpermaterials ebenso wichtig ist. Darüber hinaus gibt es auch Beeinflussungen durch Kopplungsverluste, den Verlusten am Kontaktpunkt von Messer und Feder. Zuletzt können Impedanzschwankungen durch überstehende Leitungselemente, die als Antenne wirken, hervorgerufen werden. All diese Effekte werden als Insertion Loss (Verhältnis von ausgehendem zu eingehendem Signal) zusammengefasst, auch Einfügedämpfung genannt. Ergänzend dazu gibt es noch den Return Loss (Rückflussdämpfung), der den Anteil des zurückgeworfenen am zu übertragenden Signal beschreibt.
Bezüglich einer fortschreitenden Miniaturisierung der Baugruppen kommt dem EMV-Schutz eine besondere Rolle zu: Denn die hierbei auftretenden hochfrequenten Signale sind besonders anfällig für eine Störung durch ungewollte elektromagnetische Effekte. Schon kleinste Störungen reichen für eine weitreichende Verfälschung der Datenübertragung, inkorrekte Messsignale der Sensoren und unpassende Steuerbefehle – ein für die Sicherheit absolut unzulässiges Szenario.
Ein geschirmter Steckverbinder hilft, denn in einer Baugruppe wirkt ein Steckverbinder immer als Störsenke als auch als Störquelle. Auch lässt sich das Bauteil durch andere Komponenten stören, wirkt auch selbst elektromagnetisch auf umliegende Bauteile. Eine Schirmung reduziert hier beide Effekte etwa um den Faktor 100 bis 200.
Bild 2: Vergleich eines geschirmten (unten) und eines ungeschirmten Steckverbinders (oben)
Stichwort Robustheit: Schock und Vibration gefährden die Stabilität der Datenübertragung ebenso wie chemische und thermische Umwelteinflüsse durch Extremtemperaturen, starke Temperaturschwankungen, Schadgas, Feuchtigkeit und Schmutz. Die Kontaktoberfläche bestimmt maßgeblich die Lebensdauer des Steckverbinders, denn im Betrieb treten Mikrobewegungen zwischen den beiden Teilen des Steckverbinders auf, die auf Dauer zu einem Oberflächenabrieb und so zu einem erhöhten Übergangswiderstand und folglich einer ineffektiveren Signalübertragung führen. Eine hochwertige und haltbare Kontaktbeschichtung hilft, diesen Oberflächenabrieb auf ein Minimum zu reduzieren.
Beim Kontaktsystem leistet eine doppelseitige Federleiste gute Dienste, denn zu jedem Zeitpunkt ist unabhängig von äußeren Einflüssen immer ein Kontaktpunkt garantiert. Noch robuster wird es mit einem „genderneutralen“ Kontaktsystem, denn die Kontakte verschränken sich beim Stecken ineinander und sorgen so für eine maximale Kontaktsicherheit.
Bei einteiligen Steckverbindern verzichtet man auf einen vulnerablen Kontaktbereich, woraus eine höchste Widerstandsfähigkeit gegen äußere Einflüsse schafft. Per Einpresstechnik erfolgt der Anschluss, bei dem ein Einpressstift in ein durchkontaktiertes Loch in der Leitplatte gepresst wird, wobei es zu Kaltverschweißungen zwischen der Kupferhülse und der Einpresszone kommt. So entsteht eine gasdichte, vergießbare Verbindung mit der Leiterplatte, die eine zehnmal bessere Ausfallrate als automatisiert gelötete Steckverbinder bietet.
Bei begrenzten Bauraum im Automobil herrscht Enge für Sensoren und Steuergeräte, was wiederum für die Steckverbinder bedeutet, bei gleicher oder gar höherer Leistung die Maße noch mehr zu reduzieren. Ideal für die Surface-Mount-Technologie (SMT), denn sie ermöglicht im Gegensatz zur Einpresstechnik ein deutlich kleineres Raster sowie eine beidseitige Bestückung der Leiterplatte.
Die Tendenz, in den Baugruppen immer mehr und immer kleinere Steckverbinder zu verbauen, hat zur Konsequenz, dass die Toleranzketten länger werden und die Steckverbinder sowohl bei der Montage als auch im Betrieb immer größere Toleranzen ausgleichen müssen. Hierfür gibt es bereits Steckverbinder, die noch besser Schocks und Vibrationen absorbieren können.
In der Praxis umgesetzt…
… bietet ept drei passende Produktfamilien an, die für die Bordnetz-Anforderungen den Datentransfer bewerkstelligen. Die Zero8-Produkte bieten höchste Skalierbarkeit mit individuell anpassbaren Bauformen, Stapelhöhen und Polzahlen, wobei sie Leiterplattenabstände von 6 bis 21 mm und variable Polzahlen von 12 bis 80 ermöglichen. Die Stecker sind untereinander steckkompatibel und frei kombinierbar, mit ein- oder beidseitiger Schirmung. Die robuste ScaleX-Anschlusstechnologie gewährleistet sichere Kontaktierung bei Schock und Vibration, kompensiert Toleranzen und bietet EMV-Schutz für eine Datenübertragungsrate von 16 Gbit/s.
Bei den Colibri-Produkten handelt es sich um geschirmte, zweireihige SMT-Steckverbinder im 0,5 mm Raster, die mit PICMG COM Express, SFF-SIG CoreExpress und nano-ETXexpress kompatibel sind. Die Receptacles für COM Module bieten 196 Signal- und 24 Ground-Pins, während die Plugs für Carrier Boards optional mit Guide Posts, Shield und SMT Fixing erhältlich sind. Das COM Express-System Colibri bietet hervorragende Signalintegrität für mehr als 25 Gbit/s, ideal für Highspeed-Anwendungen mit begrenztem Bauraum.
Als dritte Produktfamilie bietet One27 robuste und kompakte Leiterplattenverbindungen in SMT mit einem Raster von 1,27 mm. Sie unterstützen Leiterplattenabstände von 8 bis 20 mm und sind mit 12 bis 80 Kontakten sowie als Kabelkonfektion erhältlich. Sowohl parallele als auch rechtwinklige Verbindungen sind möglich, sie sind besonders robust und einfach zu verarbeiten, wobei zuverlässige Kontaktierung und hohe Flexibilität in der Anordnung von Leiterplatten gewährleistet sind.
Schaut man in die Zukunft, so wird das Autonome Fahren eng mit der Weiterentwicklung von Datentransfer- und Kommunikationstechnologien verbunden sein. Schlüsselaspekte wie 5G-Konnektivität, Cybersicherheit, V2X-Kommunikation sowie Edge Computing und Blockchain-Technologie werden die Datenübertragung maßgeblich prägen, aber sicher bleibt die Koexistenz von Bordnetzen und Steckverbindern, die irgendwann einmal ein Auto ohne Lenkrad real werden lassen.