Udo Grimmer-Herklotz, FELDER GMBH Löttechnik, Oberhausen
Wer schon einmal versucht hat, ein defektes Elektrogerät reparieren lassen, hat sicher schon erlebt, dass dies gar nicht so einfach ist. Ersatzteile fehlen, entsprechende Fachkräfte sowieso, und oft wird man von Servicetechnikern weggeschickt, weil sich die Reparaturkosten gar nicht mehr lohnen. Doch dies ändert sich nun.
Laut einer aktuellen Umfrage (Eurobarometer 04/2022) würden nahezu 80 % der Menschen in Europa Ihre Elektrogeräte lieber reparieren lassen, als (ständig) neue Geräte kaufen zu müssen.
Seit dem 01.03.2021 gelten, dank EU-Ökodesign-Richtlinie, für Haushalts- und Konsumentengeräte wie Waschmaschinen, Geschirrspüler Kühlgeräte sowie auch TV-Geräte strengere Vorgaben, die eine Reparatur vereinfachen und somit für Verbraucherinnen und Verbraucher attraktiver machen sollen.
Das “Recht auf Reparatur” ist eine politische Initiative, die eine Reparierbarkeit von Elektrogeräten unabhängig vom Hersteller fordert. Das “Recht auf Reparatur” ist ein wichtiger Schritt in Richtung Nachhaltigkeit und bewusstem Konsum. Es ermöglicht Verbrauchern, ihre Elektrogeräte länger zu nutzen und die Umwelt zu schonen.
Ziel ist es, die Lebensdauer von Geräten zu verlängern und einen Abschied von der Wegwerfgesellschaft zu ermöglichen. So werden z.B. Hersteller verpflichtet Geräte so zu konzipieren, dass Reparaturen mit „handelsüblichen Werkzeugen“ durchgeführt werden können, ohne dass das Gehäuse dabei beschädigt werden muss.
Ersatzteile müssen leicht erhältlich, langfristig verfügbar (bis zu 10 Jahre bei Waschmaschinen) und kurzfristig lieferbar sein (innerhalb von max. 15 Tagen). Zudem muss „fachlich kompetenten Reparateuren“ der freie Zugang zu entsprechenden Reparatur-Anleitungen vom Hersteller gewährt werden.
Somit werden auch neue Geschäftsfelder geschaffen bzw. alte reaktiviert: Reparaturwerkstätten für weiße und braune Ware, die dann auch wieder die Voraussetzungen vorfinden werden, Elektrogeräte fachgerecht und kosteneffizient reparieren zu können. Der Austausch von Bauteilen auf der Leiter-platte wird wieder als sinnvoller erachtet als der Austausch einer ganzen elektronischen Einheit.
Mit Inkrafttreten der RoHS im Jahr 2006 wurde der Einsatz von bleihaltigen Loten in der Elektronikfertigung stark eingeschränkt. Somit müssen auch Elektronikgeräte, die nach dem 01.07.2006 hergestellt worden sind auch bleifrei repariert werden. Im Umkehrschluss können Geräte aus der Zeit vor dem genannten Datum weiterhin mit bleihaltigen Loten repariert werden.
Je nach Anforderung können sowohl Lotdrähte mit Flussmittelseele (Röhrenlote), Lötpasten mit und ohne Metallpulveranteil bzw. Reparaturflussmittel in Kombination mit (Mini)-Tauchlötbädern zum Einsatz kommen. Mit der Auswahl der geeigneten Lötmittel wollen wir uns im Folgenden befassen.
Geeignete Lötdrähte für die Reparatur
Flussmittelgefüllte Weichlötdrähte, sogenannte Röhrenlote, werden in verschiedenen metallischen Legierungen und Flussmitteltypen in diversen Durchmessern angeboten. Die gängigen bleifreien Legierungen für den Handlötprozess decken sich mit denen für Schwall- und Reflowlötprozesse. Die in der Baugruppenfertigung eingesetzten Weichlote sind in u. a. in der Norm ISO 9453 aufgeführt. Auch die DIN EN 61190-1-3 beschreibt in ihren Teilen 1 bis 3, die Anforderungen an Verbindungsmaterialien für Baugruppen der Elektronik. Die Anforderungen gelten natürlich nicht nur für die Fertigung, sondern auch für die fachmännische Reparatur der Elektronischen Baugruppen.
Nun hat man also die Qual der Wahl. Sicherlich ist es sinnvoll, die Lotlegierung zu verwenden, die man auch im vorgeschalteten Lötprozess verwendet hat. Also Sn100Ni+, wie auch in der Welle? Aber im Reflowprozess kam SAC387 oder SAC405 zum Einsatz! Muss jetzt von Lötstelle zu Lötstelle der Lötdraht gewechselt werden? Oder kann man bleifreie Lote unbedenklich untereinander mischen, also beispielsweise eine SAC305-Lötstelle mit Sn99,3Cu0,7 nachlöten? Aber was genau entsteht denn bei der Mischung von Zinn-Kupfer und Zinn-Silber-Kupfer? Richtig, Zinn-Silber-Kupfer! „Kein klar definierter Zustand“ sagen Sie jetzt! Auch richtig. Aber das Lot aus der Welle bzw. dem Reflowprozess ist spätestens nach eben diesen Lötprozessen nicht mehr in der definierten Original-Zusammensetzung auf der Leiterplatte vorhanden! Je nach Leiterplattenfinish haben Sie die Lotlegierung bereits mit Zinn-Kupfer-Nickel (HAL-Bleifrei), Nickel-Gold (ENIG), Silber (chem. Ag) oder Kupfer (OSP) mehr oder weniger stark „verunreinigt“.
Bleifreie Lote für Tauchlötbäder (z.B. zum Verzinnen von Kabelenden) sind in den oben genannten Lotlegierungen als kleine Stangen, Kegel oder auch als Massivdraht verfügbar.
Passende Flussmittel
Grundsätzlich sind alle Flussmittel gleichen Typs miteinander mischbar. Zur Reparatur verwendete Flussmittel sollten aber mit den in der el. Baugruppenfertigung verwendeten Flussmitteln kompatibel sein. Dort werden ausnahmslos Flussmittel der Klassifizierungen L0 und L1 verwendet. Also halogenidfrei bzw. halogenidarm aktivierte Flussmittel auf natürlicher (RO) bzw. synthetischer (RE) Harzbasis, deren Rückstände als No-Clean bezeichnet werden.
Zusätzlich zu den flussmittelgefüllten Lötdrähten werden in der Reparatur auch Flussmittel und Flussmittelpasten eingesetzt, um elektronische Bauteile „schadensfrei“ auszulöten. Diese werden bei vielbeinigen Bauteilen über alle Kontakte aufgetragen. Über eine großflächige, gleichmäßige Erhitzung kann das Bauteil dann von den Kontaktierungen abgelöst werden. Überschüssiges Lot wird dann mit entsprechenden Tools abgesaugt.
Um dem ökologischen Anspruch des Verbrauchers an einer nachhaltig hergestellten und reparierbarer Konsumentenelektronik nachzukommen, stehen auch die Hersteller von Lötprodukten in der Pflicht. Es geht darum, Ansätze für eine möglichst CO2-neutrale und nachhaltige Fertigung zu finden und zu realisieren.
Die FELDER GMBH hat in den letzten Jahren viele solcher Ansätze bereits umgesetzt:
• Rohstoffe aus fairen Quellen
• Strom aus der eigenen Photovoltaik und 100 % erneuerbarer Energien
• Umstellung der Beleuchtung auf 100 % LED
• Umstellung der Schmelzprozesse von Fossilen Brennstoffen (Gas) auf ÖKO-Strom
• Maschinen- und Ofen-Abwärmenutzung
• geringstmöglicher Frischwassereinsatz durch die Nutzung von Brauchwasser
• Recycling von Altmetallen und Altflussmitteln
• Verwendung von Drahtspulen, Pasten- und Flussmitteldosen aus Recycling-Kunststoffen
• Recycling von Altkartonagen zu Füll- und Polstermaterial
• Fahrrad-Leasing-Programm „JobRad“ für FELDER Mitarbeiter/innen und deren Angehörige
• Sukzessive Umstellung des Firmenfuhrparkes auf Fahrzeuge mit Hybrid und E-Antrieb
DERA-Studie: wir zählen zu den TOP 3 Deutschlands
Wir sind stolz, beim Metall „Zinn“ zu den TOP 3 Unternehmen mit Recyclingrohstoffeinsatz in Deutschland zu zählen (750 t/a)! Zu diesem Ergebnis kam die Deutsche Rohstoffagentur (DERA), die unlängst in einer Studie den Status Quo des Metallrecyclings bei der Metallerzeugung und -verarbeitung in Deutschland untersuchte.
Durch Metallrecycling können wir eine CO2-Einsparung von 9.500 t / Jahr realisieren.
Der Recyclingprozess für unsere gesamte Lotproduktion sowie für die Lotabfälle und Krätzen unserer Kunden findet am Standort Loffenau statt. Wir sind offiziell als Entsorgungsfachbetrieb anerkannt und von der Bezirks-regierung Düsseldorf bevollmächtigt, Metallrückstände unserer Kunden einzusammeln und zu verwerten. Für die Sammlung von Lötzinnkrätze stellen wir unseren Kunden kostenlose Pfand-Sammelbehälter zur Verfügung.
Die Qualität hochwertiger Recyclingrohstoffe ist mit der von Primärrohstoffen vergleichbar, sodass die Industrie diese für die Herstellung ihrer Produkte verwenden und große Mengen an CO2-Emissionen und Energie einsparen kann.